"innie or outie" - weibliche Radsportler auf der Suche nach dem heiligen Gral

Der original Artikel von Rachel Olsen auf cobbcycling.com ist auf Englisch publiziert worden. Ich möchte ihn aber auf Grund des extrem positiven Feedbacks vieler weiblicher Radsportler und Triathleten aus den USA auch auf Deutsch veröffentlichen (frei übersetzt). So viel schon mal vorweg genommen: ein Sattel sollte keine Frau vom Radfahren abhalten!

Wahrscheinlich sind Sitzprobleme durch den Fahrradsattel etwa so alt wie das Fahrrad selbst und die Suche nach bequemeren aber trotzdem praktikablen Lösungen ebenfalls. Während Männer eher dazu neigen derartige Probleme einfach zu ignorieren und auf die selten erfolgreiche Methode der Gewöhnung setzen, ist das für die meisten Frauen keine Option. Zumal die Probleme bei weiblichen Radsportlern und Triathleten auch etwas anderer Art sind, als bei ihren männlichen Kollegen. Oft sieht man extrem aufrechte Sitzpositionen auf extremen high-end Zeitfahrrädern, weil eine aerodynamisch und biometrisch günstige Position einfach auf Grund von starken Schmerzen im Genitalbereich gar nicht gefahren werden kann. Es wird also extrem viel Performance für ein bisschen weniger Schmerzen geopfert. Dieses Problem betrifft aber keinesfalls nur Frauen! Ich selbst hatte Jahrelang extreme Sitzprobleme, die mich drei mal bis in den OP geführt haben. Die meisten Frauen tun sich so was aber nicht lange an und lassen das Rad lieber ganz stehen. Dies soll auf keinen Fall als Zeichen der Schwäche gewertet werden! Ich kann und möchte mir gar nicht vorstellen wie sich ein schlechter oder falscher Sattel als Frau anfühlt...

Tatsächlich ist es aber so, dass die meisten Frauen auf dem Rennrad mittlere bis schwere Sitzprobleme haben. Schade nur, dass so wenig darüber gesprochen, geschweige denn nach Lösungen gesucht wird! Zunächst muss man zwischen einer relativ aufrechten Position auf dem Rennrad und einer aerodynamisch günstigen Zeitfahrposition unterscheiden. Bei ersterer wird der Druck hauptsächlich auf den Gesäßmuskel, bzw. die Sitzbeine verteilt. Rotiert man nun nach vorne in die Zeitfahrposition, verändert sich auch die Auflagefläche signifikant. Die Belastung ist nun im empfindlichen Damm-Bereich und im Genitalbereich vorhanden. Hier hört für die meisten dann der Spaß auf. Anstatt nach Lösungen zu suchen, wurde zunächst akzeptiert, dass diese Position einfach schmerzhaft ist. Entweder man arrangiert sich mit den Schmerzen (die übrigens auch die Leistung mindern) oder man dümpelt halt aufrecht weiter vor sich hin. John Cobb wollte diese Tatsache jedoch nicht akzeptieren und glaubte schon in den frühen 90iger Jahren daran, dass kein Radsportler sich mit Komfort/Sitzproblemen rumschlagen sollte. Radfahren sollte unabhängig von den persönlichen Zielen in erster Linie Spaß machen! Man wusste aber, das Komfort auf dem Fahrradsattel eine sehr persönliche Angelegenheit ist. Nichts desto trotz musste die oft vermiedene Diskussion über Sitzprobleme und Schmerzen im Genitalbereich eröffnet werden um Radsportlern und insbesondere Radsportlerinnen zu mehr Komfort bei ihrem Liebsten Hobby zu verhelfen.

Doch alleine das Problem anzusprechen scheint/schien oft schwer zu fallen. Stellen sie sich vor sie sind auf dem Weg zu ihrem lokalen Bike Shop und bereiten sich gerade auf ein Gespräch zu diesem sehr persönlichen Thema vor.... Der Schritt schmerzt unerträglich durch den zur Zeit verwendeten Sattel. Egal ob es sich um Taubheit, Druckschmerz oder Scheuern handelt. Irgend etwas muss sich ändern, damit sie ihrem Hobby treu bleiben. Für Männer ist es sicherlich einfacher jetzt mit dem meist männlichen Bike Fitter oder Angestellten über dieses Thema zu sprechen. Als Frau einen Mann zur Thematik "Weichteilprobleme auf dem Fahrradsattel" anzusprechen ist da schon wieder eine andere Geschichte... Oft scheitert diese Konversation an Unwissenheit auf der einen und Scham auf der anderen Seite. Hier besteht großer Nachholbedarf! Die ohnehin schon guten Wachstumszahlen im Triathlon- und Radsportvereinen könnten noch weiter gesteigert werden, wenn man all jenen Frauen zu einem bequemeren Erlebnis auf dem Fahrrad verhelfen könnte. Das alles könnte im Beratungsgespräch mit einer einfachen Frage beginnen: "innie oder outie"?

Wie bereits Anfangs erwähnt neigen Männer dazu Sitzprobleme einfach zu ignorieren, in der Hoffnung das sie sich mit der Zeit geben werden. Dies ist leider eher selten der Fall. Einige Anpassungen des Sattels können aber diverse sattelbezogene Probleme leicht lösen. Hier sind die Variablen welche angepasst werden müssen bei Männern und Frauen etwas unterschiedlich. Sitzschmerzen sollten niemanden vom Radsport oder Triathlon abhalten, daher muss die Konversation zu diesem Thema offen angegangen werden um für mehr Klarheit und Komfort zu sorgen. Immer wieder stelle ich in Gesprächen fest, dass sich bei vielen die Meinung eingebrannt hat, dass ein Sattel immer irgendwelche Schmerzen verursacht. Es kommt vielen gar nicht in den Sinn die Hoffnung auf bequemes Radeln auf einem bequemen Sattel zuzulassen! Umso emotionaler sind dann manchmal die Reaktionen nachdem zum ersten mal ein Cobb Sattel getestet wurde.

Cobbcycling hat über die Jahre unzählige E-Mails und Anrufe von Frauen bekommen, die um Hilfe bei dieser unangenehmen Problematik gebeten haben. Die Probleme sind immer recht ähnlich geartet: "Ich kann nur wenige Kilometer ohne Schmerzen im Sitzbereich Radfahren", oder "Ich weiß nicht wie ich dieses Thema in meinem lokalen Radladen ansprechen soll, aber so kann ich nicht weiter machen.". Es musste auf jeden Fall etwas unternommen werden um hier für mehr Klarheit zu sorgen und System ins Dunkel zu bringen, so dass es möglich wird qualifiziert System in die spezifischen weiblichen Probleme auf dem Fahrrad zu bringen. Als Satteldesigner begann John Cobb schon damals tiefgründiger Fragen zu stellen um einen Beitrag zu leisten Frauen zu mehr Komfort auf dem Rad zu verhelfen. Er begann mit seiner Frau Ginger, ebenfalls ambitionierte Radsportlerin mit wenig Komfort auf dem Fahrrad. Wo lagen die unangenehmen Druckpunkte die herkömmliche Sättel verursachten? Nachdem er bereits mit seiner Frau viele nützlichen Informationen gesammelt hatte, begann er auch andere Bike Fitting Kundinnen tiefgehender zu befragen. Bereits 1995 konnte er mit Hilfe des dadurch gewonnenen Wissens beginnen bestehende Modelle etablierter Sattelhersteller zu modifizieren. Unterschiedliche Formen und Größen wurden ausprobiert um noch mehr Feedback zu bekommen. Nach einiger Zeit kristallisierten sich einige Kernpunkte heraus, die sehr wichtig waren um Frauen auf dem Rad zu mehr Komfort zu verhelfen.

Zunächst einmal ist es wichtig zu unterscheiden ob man auf einem normalen Rennrad ohne Auflieger unterwegs ist, oder auf einem Zeitfahrrad. Hier spielt es dann eine entscheidende Rolle wie aggressiv die Sitzposition aussieht. Diese Faktoren müssen unbedingt berücksichtigt werden, um einen Sattel zu finden, der bei Radfahrerinnen zu mehr Komfort führt. Aber um die komplizierte Problematik der Druckprobleme auf den Genitalien und dem gesamten Sitzbereich zu lösen, musste weiter ins Detail gegangen werden.

Mit zunehmender Entwicklung unterschiedlicher Satteldesigns zeichnete sich ein Muster bei der Sattelwahl von Frauen mit bestimmten anatomischen Voraussetzungen ab. Eine bestimmte Gruppe von Frauen bevorzugte sehr häufig Sättel mit einer schmaleren Nasenpartie, während die andere Gruppe unbedingt eine breite Sattelfront benötigt um bequem zu sitzen. Das jeweils entgegengesetzte Design wurde als extrem unbequem empfunden. Die entscheidende Frage war nun: "Was sind die Faktoren die diese Gruppenbildung beeinflussen?". Warum gibt es nur entweder, oder und so gut wie keine Probanden, die mit unterschiedlichen Breiten klar kommen? Dazu musste also zunächst einmal mit dem Gerücht aufgeräumt werden, dass alle Frauen extrem breite Sättel und sehr üppige Sitzpolster benötigen. Beides ist nämlich nicht der Fall!

Während John sich mit dem Thema Sattelkomfort für Frauen auseinandersetzte, untersuchte er auch die beteiligten Skelettstrukturen sehr genau um seinen empirisch gefundenen Trend auch mit Fakten belegen zu können. Während dieser Zeit zeigte sich schnell ein Zusammenhang in der Beziehung zwischen der Hüftpfanne und der Lage und Ausprägung des Schambeins bei weiblichen Radsportlern. Weitere Studien präzisierten diesen Zusammenhang. Es zeigte sich, dass Frauen mit sehr betonten nach vorne stehenden Hüftpfannen zu einem eher flachen Po neigten. Während es sich bei Frauen mit wenig betonten Hüftpfannen genau entgegengesetzt verhielt. Dazu kam die Erkenntnis, dass die Ausprägung der Hüftpfannen (stark nach vorne betont, bzw. eher unauffällig) auch die Form und Ausprägung des Schambeins stark zu beeinflussen schien. Frauen mit deutlich nach vorne betonten Hüftpfannen haben meist auch ein deutlich vorstehenden Schambeinknochen, während bei weniger betonten Hüftpfannen das Schambein kaum hervor steht. Es musste ein Zusammenhang zu finden sein zwischen den genannten Unterschieden in der Ausbildung der Skelettstruktur und dem Sattelkomfort bei Radsportlerinnen. Anscheinend mussten noch detailliertere Nachforschungen betrieben und noch mehr Fragen gestellt werden. Nach einiger Zeit und der Auswertung unzähliger Abdrücke der Sitzregion sowie ebenso vieler Röntgenbilder, begann sich der Nebel langsam zu lüften. Es bestand tatsächlich ein Zusammenhang zwischen der Form des Schambeins und der Ausprägung der weiblichen Genitalien.

In den darauffolgenden Jahren begann John während unzähliger Fittings weitere Informationen zu sammeln. Nachdem mehr Vertrauen zwischen Bike Fitter und Sportler aufgebaut war, wurden weitere exakte und zielführende Fragen gestellt. Keine Frau spricht schließlich gerne mit einem "Fremden" über ihre "weiblichen Regionen". Irgendwann war dann aber ein Trend zu erkennen und es entwickelte sich eine präzise Erkenntnis. Beflügelt durch die bereits weit verbreitete Konversation über den Bauchnabel (steht dein Nabel nach innen oder nach außen) entwickelte sich die Frage die gestellt werden musste auf dem Weg zum richtigen Sattel für Frauen: Ist deine Vagina "innie" oder "outie"? Zwischen diesen beiden Typen gibt es einen physischen Unterschied, welcher entscheidend für den Komfort und die richtige Sattelwahl ist!

Die Vagina im allgemeinen sowie Vulva bzw. Schamlippen im Speziellen sind die Bereiche, die bei Frauen die meisten Sitzprobleme auf dem Sattel verursachen. Die Vulva und die Schamlippen sind die äußeren exponierten Bereiche der Vagina. Diese Bereiche sind sehr druckempfindlich und können schnell zu Schmerzen und sehr kurzen Radausfahrten führen. Es steht allerdings immer noch die Frage im Raum wie all die gewonnenen Informationen zur alles entscheidenden Antwort für mehr Sitzkomfort führen. Wie genau beeinflusst ein mehr oder weniger betontes Schambein die Form der weiblichen Genitalien?

Für die Frauen, die cobbcycling als "outies" bezeichnet zeigt sich die Vulva bzw. die Schamlippen als physisch größer und deutlich exponierterer "offener" Bereich. Die hervorstehenden Hüftknochen schieben das Schambein nach vorne. Oft sind dadurch die äußeren Schamlippen bei diesem Typ Frau weit geöffnet, und auch die inneren Schamlippen verdecken nicht die Vagina. Bei "innies" sind die Schamlippen eher weiter geschlossen und die Vagina ist etwas "versteckter". Die Vulva ist bei diesen Frauen eher schmal und weniger exponiert. Momentan sieht es so aus, als ob man beide Typen bei jeder Art von Schambeinausprägung finden kann. Es zeichnet sich aber ein Trend ab, dass Frauen mit betonteren Hüftknochen in Kombination mit hervorstehenden Hüftpfannen deutlich eher "outies" sind. Während hingegen "innies" oft weniger betonte Hüftpfannen vorweisen. Cobbcycling sammelt weiter Daten um diesen Trend weiter zu untermauern. Komfort ist meist eine sehr subjektive persönliche Sache. Umso wichtiger ist es endlich eine Methode in der Hand zu haben die bestimmte anatomische Merkmale mit bestimmten Präferenzen bei der Sattelwahl verknüpft.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass "Outies" fast immer Cobb- Modelle mit einer breiteren Sattelnase wie den Max oder den 55 JOF bevorzugen, während die "Innies" sich auf Sätteln wie dem Plus 2, V-Flow oder Randee sehr wohl fühlen.

Auch ich als Cobb-Sattel-Händler habe mich gefragt, wie ich mit diesem Thema umgehe. Und meine Frau ermutigte mich, weiterhin ohne Scham über den weiblichen Genitalbereich mit meinen Käuferinnen zu reden. Sie hat den Artikel auch gelesen und mit überarbeitet. Und ich hoffe, dass ich damit niemanden zu nahe getreten bin und möchte alle Frauen und Männer ermutigen, offener über die Probleme des schmerzenden Genitalbereiches durch das Radfahren zu reden. Um Cobbcycling weiter zu helfen um noch bessere Sättel produzieren zu können, bin ich jederzeit dankbar über Feeback und Hinweise- und damit ist jeder weiteren Radsportlerin in Zukunft vielleicht geholfen.

Unter dem Reiter "Sattelwahl" gibt es noch eine Grafik, um sich besser für einen Sattel auf Grund der eigenen Anatomie, aber auch der Sitzposition auf dem Rad, zu entscheiden zu können.

Nach so viel um den heißen Brei Gerede gibt es endlich die Antwort. Schaut einfach nach, zu welchem Typ ihr gehört und sucht anhand dessen den richtigen Sattel aus. Es wartet jede Menge Spaß und Komfort auf dem Rad und Sitzschmerzen werden der Vergangenheit angehören!

Sollte es trotzdem noch Fragen geben, beantworten ich diese auch gerne am Telefon oder per Mail.

Denn Comfort=Speed!